Adventskalender: Türchen 14

Band: Hamradun

Herkunft: Suðuroy, Färöer

Genre: Folk Rock

 

Als ich mit meinem Skandinavistik-Studium begann, legte ich mir natürlich auch ein exzentrisches Hobby zu. Mein Ziel ist es, möglichst obskure Bands aus Skandinavien zu finden und sie, der mitunter unwilligen Öffentlichkeit, näher zu bringen. Deswegen freute es mich, dass es in den letzten Jahren einen wahren Boom an isländischen Black Metal Bands gab und sie förmlich an Bekanntheit explodierten. Árstíðír Lífsins, Svartidauði, Misþyrming, Auðn und 0 (nur um mal ein paar Favoriten zu nennen) sind mittlerweile auch eher Casual-Fans der härteren Musik geläufig. Auch die dänische Rock’n’Roll Szene ist in der breiteren Massen angekommen, unter anderem mit Bersærk und Spids Nøgenhat.

Was ist also die nächst logische Konsequenz dessen? Klar, die Färöer. Von der Welt entweder als Wurmfortsatz oder kleine Schwester Islands und Dänemarks behandelt, sind die kleinen Inseln ein wahres Schwergewicht in der Musik, und zwar in allen Genres. Seien es nun ihre sieben (!) international bekannten Chöre, die blühende Jazz, Blues und Folk Szene mit einem jährlich statt findenden Festival und die seit dem Mittelalter bewahrte Gesangstraditionen. Seien es nun die sogenannten kingosálmar, denen wir Eivør zu verdanken haben oder die über 1000 Jahre alten kvæði, tættir und vísur, durch die Týr entstanden ist. Auf den Färöern wird Musik gelebt und geatmet. Dadurch komme ich zu meinem Herzensprojekt heute: Hamradun.

Hamradun sind eine färingische Folk Rock Band um Pól Arni Holm, der nach seinem Ausstieg als Sänger von Týr, Musiker aus Black Metal, Folk und Jazzkreisen um sich scharte, mit dem Ziel, die alten Lieder und Sagen der Inselgruppe am Leben zu erhalten und ihnen neues Leben einzuhauchen.

Im Sommer 2018 bin ich zufällig auf sie gestoßen, als ich nach Vertonungen meiner Lieblingskvæði und vísur gesucht habe. Bei Sinklars Vísa tauchte auf einmal neben der Týrversion, auch die Vertonung von Hamradun auf. Einmal rein gehört und Zack war ich hin und weg! Es war genau das, was mir noch fehlte in meiner Liebe für tausendjährige Balladen, seltsamer Musik auf kleinen Inseln und dem generellen Sprachpurismus Islands und den Färöern. Beziehungsweise eher meinem linguistischen Respekt vor Isländisch und Färingisch, denn beide Sprachen sind mit Absicht nah an ihrem 1500 Jahre alten Vorgänger gehalten worden. Hamradun bedeutet auf Färingisch so viel wie Gipfelgeflüster, denn wie Pól Arni Holm einst begründete, Hamradun steht für die Bergwipfel, die seit jeher über die Inseln wachen und alles Geschehene erzählen.

Es war für Pól Arni Holm wichtig, die Balladen und Sagen der Färöer und daher ihre traditionellen Vortragsweisen und Kettentänze zu bewahren, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und den Menschen ihre Relevanz wieder gewahr wird. Deswegen orientiert sich die Band rhythmisch an den Kettentänzen und der Vortragsweise der kvæði, tættir und vísur, wie es schon von den Skalden der Wikinger vor 1200 Jahren festgelegt wurde. Aus eigener Erfahrung lässt sich sagen, zu Sinklars Vísa lässt sich ohne Probleme ein färingischer Kettentanz aufführen und rezitieren. Ich kann es nur empfehlen, es macht wirklich Spaß und auch ohne Färinger, die es einem beibringen, ist es einfach zu lernen. Dieser Fokus auf die Geschichte ist der Grund, warum selbstverständlich nur auf Färingisch gesungen wird. Es geht nicht darum, dass die Welt die Geschichte der Inseln nähern kennenlernen soll, wie es bei Týr der Fall ist, sondern dass Musik, Sprache und Geschichte, einer immer kleiner werdenden Bevölkerungsgruppe, vor dem Aussterben bewahrt wird.

Was natürlich auch nicht schadet, ist, dass Hamradun musikalisch einfach nur geil sind. Die Melodiosität von Týr trifft auf das Charisma eines traditionellen Skalden und die Feierlichkeit von Hamferð. Ich höre nur das Orgelintro von Grimmer Går På Gulvet und ich bin hin und weg, während die traditionelle Kvæðivortragsweise von Jallgríms Kvæði für viele Zuhörer sich fremd bis merkwürdig anhören mag, aber es ist ein Relikt, dass ununterbrochen von ca. 800 nach Christus bis heute in Benutzung ist und man fühlt sich auf einmal sehr viel kleiner vor der Schönheit dieser uralten Tradition.

Takk fyri mínar vinir!

Liveimpressionen:

Links:

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Bei der Aktion Adventskalender stellen Euch die Redaktionsmitglieder eine Band vor, die ihnen am Herzen liegt. Sei es die Lieblingsband oder eine, welche für den Redakteur bedeutsam oder prägend war, unabhängig von der Größe oder der Bekanntheit.

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